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Die Probleme der privaten Rentenversicherung

Autor: Dirk Feldhinkel

Zuletzt aktualisiert: 07.08.2023

Ist es nicht eine schöne leichte Vorstellung? Man gibt etwas von seinem Geld, der Staat viel dazu und nach Jahren sind alle Probleme von selbst gelöst. "Eine tolle Rendite bringt eine tolle private Rente! " , versprechen dir die Versicherungskonzerne. Weißt du nicht schon längst, dass daran etwas faul ist? Es gibt Umfeldbedingungen, die über den Erfolg kapitalgedeckter Anlagen entscheiden. Das nennt nicht nur der Experte "Risiko" und das gilt auch für private Rentenversicherungen.  Das einzige was wirklich sicher ist, dass die Finanz- und Versicherungskonzerne für ihre eigenen Gewinne hohe Kosten in Rechnung stellen. Doch das sollst du möglichst erst merken, wenn es zu spät ist.

Zuviel Kosten zertrümmern die leicht zerbrechliche Rendite!
Rendite kann zerbrechen, aber Kosten bleiben!

Übermütige Deregulierungen haben Finanzmärkte auf den Kopf gestellt

Doch beginnen wir von vorne: Wie kam es dazu, dass ein vormals solides typisch deutsches Produkt wie die private Rentenversicherung so in den Verruf gekommen ist? Das Ganze hat eine Vorgeschichte, die dir sicher nicht völlig unbekannt ist. Aber ist dir auch klar, wie das zustande gekommen ist und sich bis heute auswirkt?

 

Vielen ist nicht bewusst, dass die Verwerfungen der globalen Finanzmärkte in der Mitte der 2000er Jahre erheblich von Deutschland (Deutsche Bank) ausging. Die deutsche  Wiedervereinigung mit dem Untergang des Sozialismus hatte offensichtlich politisch einen derartigen Übermut und eine Arroganz hinterlassen, welche unsere sozial-marktwirtschaftliche Haltung sprichwörtlich umgerissen hat. Ungehemmte Deregulierungen in der Finanzwelt waren angesagt. Die Auswirkungen von damals findest du heute tatsächlich in kranken Vorsoge-Produkte wieder, die damals nicht nur die Rentenpolitik retten, sondern alle unfassbar viel reicher machen sollten als der Staat.

 

Es waren damals keine Geld abzockende Influenzer, sondern vermeintlich seriöse Sozialpolitiker. Gier wurde als Kompetenz verkauft - auch politisch. Wie käme man sonst auf die Idee, ein offensichtlich volkswirtschaftlich bedrohendes Rentenproblem mit einer einzelnen "Volksaktie" (Telekom AG) wegschieben zu wollen. Dieser Aktien-Hype hatte jedoch noch andere Auswirkungen, die öffentlich kaum wahrgenommen wurden. Der Druck auf Wertpapiere des Rentenmarktes wie auch auf Lebensversicherungsprodukte selbst war enorm und bescherte damals schon Probleme in der Lebensversicherungsbranche. Dazu gehörten natürlich auch private Rentenversicherungen, die schon damals als "Old-School" abgehakt wurden. Mit so etwas wird man doch nicht reich - das war die Haltung. Selbst der BGH und das Verfassungsgericht befassten sich in dieser Zeit mit den Kostenstrukturen der Lebensversicherungen, weil die Hälfte der Verträge gekündigt wurden.

 

Die Versicherungsbranche reagierte mit "innovativen" Fondsprodukten, die sich jedoch schnell als erfolglose Kostenfresser entpuppten. So wie es die Bundesaufsichtsbehörde für Finanzdienstleistungen bis heute feststellt. War es damals wirklich ein Zufall, dass die damalige Politik mit enger Ansprache der Versicherungsbranche auf die Idee kam, "staatlich geförderte kapitalgedeckte Rentenversicherungen" als Rentenersatz umzusetzen?

Die Rentenpolitik ist auf ein auf ein sterbendes Pferd gestiegen: Die private Rentenversicherung

Die deutsche Politik setzte Mitte der 2000er Jahre gegen das anstehende Rentenproblem die Idee der "vollautomatischen Problemlösung" durch Kapitaldeckung. Die Verantwortlichen hatten dabei vergessen, dass bereits in der Nachkriegszeit eine Krise vorlag, die Rentner zum Hungern verdammte. Das staatliche Kapital für die Rente war einfach verbraucht. Diese Erfahrung wurde aus der politischen Überlegung zur Daseinssicherung einfach entfernt. Vieles wurde in dieser Zeit sehr einfach gedacht. Jedoch die Anträge für die Förderungen dieser Versicherungsprodukte wie zum Beispiel der "Riester-Rente" waren dagegen hoch kompliziert.

 

Wie unsagbar naiv das war zeigte sich bereits in den Jahren 2008 / 2009 als das Hauptanlageinstrument der Lebens- und Rentenversicherungen, Rentenpapiere und Anleihen, als gefährliche Tretminen erwiesen. Eine weltweite Finanzkrise machte auch Anleihen zum Problem. Spätestes jetzt hätte jedem Fachpolitiker klar sein müssen, dass die politisch deregulierte Marktlage und eingeschlagene Rentenpolitik im krassen Widerspruch stehen, denn Rürup-Renten, Riester-Renten oder Entgeltumwandlungen (Direktversicherungen) basierten im Schwerpunkt aus diesem Anlage- und Versicherungskonzept. Die vom Gesetzgeber fortlaufend nach unten korrigierten Höchstrechnungszinsen sollten Versicherungsunternehmen tendenziell davon abhalten, gefährlich hohe Garantieleistungen in den Verträgen zu verarbeiten. Jedem wirklichen Experten hätte klar sein müssen, dass die regierenden Politiker kurz zuvor ein totes Pferde bestiegen haben und so tun, als könne man es einfach weiter reiten. Vielleicht ist es ein Relikt einer traumatisierten Nachkriegsgesellschaft, dass bei aller fachlichen Inkompetenz bei uns deutschen Bürgern inklusive der gewählten Politiker eines bestens funktioniert: Das Wegschauen und Ignorieren!

 

Der Faktor Zeit kommt mit negativer Wirkung hinzu. Es hatte sowohl in der Politik als auch in der Bevölkerung hat es sehr lange gedauert, bis die gravierenden Auswirkungen wirklich wahrgenommen wurden. Das liegt sicher auch daran, dass die Auswirkungen für die Bürger erst kurz vor den Auszahlungen mit kurzfristigen Kürzungsmeldungen zum Vorschein gekommen sind. Die Versicherungsbranche wollte sicher keine schlafende Hunde wecken. Alles sollte einfach weiterlaufen - möglichts ohne Druck auf die hohen Kosten der Versicherungen, die bis heute durch verschiedene hohe Förderungen des Staates abgesichert werden.

Die langfristige Auswirkung für private Rentenversicherungen

Ein Hauptproblem sind die geringen Anpassungsspielräume, die Rentenversicherungen haben, wenn diese mit hohen Garantien im schlechten Marktumfeld überfordert sind. Das erzeugt eine fortlaufende Erosion der offenen, stillen und eisernen Reserven. Das führte offensichtlich wiederum zu notgedrungenen Quersubventionen, die zu einem gefährlichen Dominoeffekt führen können. Der Gesetzgeber hat zwar offensichtliche Regelungslücken der Rentenversicherungsprodukte gegen notgedrungenen Missbrauch (Mindestzuführungsverordnung) etwas verbessert, jedoch mit gefährlichen Lücken und Fallen. Dieser politische Nachtrag wird weder die verfahrene Rentenpolitik noch die Versicherungsdefizite rückwirkend retten können. Wie brisant die Situation in den vergangenen Jahren bereits zugespitzt war, zeigte sich durch die Vertriebsverbote und strengeren Überwachungen mit Auflagen für einige Pensionskassen, Lebensversicherungs- bzw. Rentenversicherungsgesellschaften durch die Bundesaufsichtsbehörde für Finanzdienstleistungen (BaFin).

 

Es gibt jedoch auch eine weitere Folge aus diesem Geschehen. Die Übernahme der Schulden der bedrohten Banken durch die Staaten konnte nur durch eine Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank gelöst werden. Ansonsten wären europäische Staaten insolvent geworden. Das führte zur dauerhaften Geldüberschwemmung durch niedrigste oder sogar negative Zinsen im europäischen Finanzmarkt.

 

Das heizte wiederum die Börsenmärkte ordentlich an, welche die unattraktiven klassischen Wertpiere zusätzlich unter Druck setzten. Nach dieser Geldschwemme brauchte es nur noch eine Krise, um die von Experten erwartete Inflation auszulösen. Inzwischen sind viele Krisen fast zeitgleich angekommen.

 

Die Inflation ist seither im Alltag ein ernstes Problem. Die langfristige Entwertung der kapitalgedeckten Vorsorge im Bereich der verzinsten Wertpapiere wird der genial geglaubten Idee abermals einen vernichtenden Dämpfer verpassen. Die klassischen Anlagekonzepte der Rentenversicherungen haben kein in sich liegendes Korrektiv für die inflationäre Belastung. Deshalb wird es wieder Angebote für Dynamisierungen geben. Der ständig erhöhte Beitrag ist jedoch Geld des Kunden und nicht die Renditeleistung einer privaten Rentenversicherung.

 

Mit Zinseszins hochgerechnet, zeigt sich wie belastend hoch ein Beitrag am Ende noch werden kann. Die Inflation bringt noch ein weiteres besonderes Risiko mit sich. Wenn Rentenversicherungen langfristig in gering verzinsten Wertpapieren investiert haben, erfahren diese Wertpapiere durch die Zinserhöhungen neuer konkurrierender Wertpapiere einen gewaltigen Abrutsch ihrer Marktwerte. Dem entsprechend rutschen auch sowohl Bilanzwerte als auch Liquidität dieser Versicherungsgesellschaften in den Keller.

Die Scheinüberwachung des Staates

Zeitgleich zu den Problemen stehen die privaten Rentenversicherer unter einem erhöhten Druck der Vertragseinwerbung. Genau hier wird es kritisch. Einblicke in Angebote und Werbeunterlagen wie auch Webseiten zeigten fragwürdige Werbeaussagen, die im Normalfall jeden Wettbewerbshüter auf die Palme bringen müssten. Nichts dergleichen passiert.

 

Das große Risiko der fortlaufenden Quersubvention zwischen "alter" und "neuer" Verträge wurde zwar inzwischen durch die Mindestzuführungsverordnung erfasst, jedoch sind diese Regelungen unter dem klaren Sachzwang zu sehen, dass die Versicherungsgemeinschaft vorrangig einer individuellen Gerechtigkeit zu sichern ist. Das heißt, geht es der Versicherungsgesellschaft schlecht, kann sie auf inklusive der bereits zugeteilten Überschüsse zugreifen. Das ist eine von mehreren Lücken, die eine Bundesaufsichtsbehörde für Finanzdienstleistungen nicht lösen kann.

 

In der Not der Rentenversicherungen gibt es eine unscheinbare wie abstrakte Lösung, die bei arglosen Verbrauchern gut anzuwenden ist. Die Lebenserwartung der Versicherten wird über eine statistische Realität weit hinaus gerechnet. Dadurch wird die kalkulierte (garantierte) Rente zu klein gerechnet. Damit hat die Rentenversicherung ein legitimes Mittel, sich trotz aller vorgezeigten bürokratischen Regelungen, willkürlich mit Kundengeldern zu sanieren. Es ist ein weit offenes Tor. Hat das der Gesetzgeber einfach übersehen? Das kann nicht sein, denn Verbraucherschützer beklagen diesen Zustand seit vielen Jahren. Es gibt sogar ein lebensnahes Beispiel dafür, dass es eine Regelung gibt, wenn der Gesetzgeber es nur will. Bei einem Immobilienerwerb kann ein Nießbrauch, zum Beispiel für ein lebenslanges Wohnrecht nicht willkürlich kapitalisiert werden, indem eine zu hohe Lebenserwartung angelegt würde. Das könnte den Staat Steuern kosten. Deshalb gibt es hierfür Tabellen, die Lebenserwartungen zur Berechnung einheitlich festlegen. Private Rentenversicherungen können rechnen was sie wollen. Dagegen ist nur ein leicht umsetzbares Prüfkonzept zu setzen, welches jeder vor Vertragsabschluss selbst anwenden kann. Ansonsten werden Beiträge mit großer Wahrscheinlichkeit zur Sanierung der Rentenversicherungen missbraucht.

Die Politik steht jetzt vor einem großen Dilemma

In Anbetracht der Lage, kann die Politik kaum den sprudelnden Hahn der Förderungen für Riester-,  Rürup- und Direktversicherungen zu drehen. Es könnten desaströse Domino-Effekte die gesamte Versicherungsbranche gefährden. Die Politik hätte ein ernstes Erklärungsproblem. Die Angst davor Wählerstimmen zu verlieren, sitzt tief. Deshalb legt sie sogar noch mehr Geld oben drauf, wie das Betriebsrentenstärkungsgesetz im Fall der Entgeltumwandlungen zeigt.

 

Die deutsche Politik müsste jedoch die Rentenpolitik komplett neu strukturieren. Denn überschlägige Analysen zeigen, dass offensichtlich mehr staatliches Geld bei den Versicherungskonzernen landet, als bei den Bürgern, um die es hier gehen soll und deren Geld es ist. Nicht ohne Grund stoppte die Bundesaufsichtsbehörde für Finanzdienstleistungen den Verkauf weiterer Verträge einiger gestrauchelter Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen. Vereinfacht: Es könnte ansonsten trotz gesetzlicher Regelungen ein gefährliches Schneeballsystem mit einem enormen Kollapsrisiko entstehen, weil neue Beitragseinnahmen in alte Verpflichtungen nebst Zinsgarantien erodieren können. Es ist der selbige Grund weshalb der Höchstrechnungszins - auch als Garantiezins bekannt - vom Gesetzgeber immer wieder dramatisch gesenkt wurde.

 

Es verbleibt nur ein "wählerfreundliches" Geld hinzu schütten der Politik, kombiniert mit hektisch bürokratischer Überwachung der Aufsicht. Es ist wie mit einer angezogenen Handbremse brutal Gas zu geben. Ein Widerspruch, der weder private Rentenversicherungen noch die Rentenpolitik wirklich besser macht. Nur die Versicherungskonzerne kassieren einfach weiter!

Dirk Feldhinkel

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